„Dieser Förderdschungel bringt so manch einen auf die Palme!“
Jüngst hatten wir wieder eine Sitzung im Kreischorverband. Themen waren die Vorbereitung einer Chornacht in Diez an der Lahn mit dem Titel „Diez ganz Chor“ am 15. Juli diesen Jahres und auch die Förderung von Chormusik in Grundschulklassen. Beide Projekte sind ohne öffentliche Fördermittel nicht realisierbar.
Im Chorbereich kann man ein zunehmendes Stadt-Land-Gefälle beobachten
Die Chorszene ist seit einiger Zeit noch herausfordernder geworden. In ihr vollzieht sich ein fundamentaler Wandel. Nicht zur zum Schlechten, aber ein Wandel bringt eben Herausforderungen mit sich. Zahlreiche traditionelle Chorvereine, die es vor allem im ländlichen Bereich gibt, geben auf. Auf der anderen Seite gründen sich auf gutem musikalischem Niveau neue Chöre. Popularmusik löst vielerorts klassisches traditionelles Liedgut ab. Im Chorbereich beobachtet man ein zunehmendes Stadt-Land-Gefälle, auch was Förderungen und Möglichkeiten betrifft.
Im Falle der Förderung von Chormusik in Grundschulen ist es gar nicht so einfach, ausgebildete Chormusiker zu finden, die vormittags Zeit haben und bereit sind, diese Aufgabe zu übernehmen. Städte sind besser aufgestellt als der ländliche Bereich. In zahlreichen Städten gibt es an Universitäten Fachbereiche für Musik, an denen Nachwuchsmusiker ausgebildet werden. Diese bleiben anschließend verstärkt im städtischen Bereich.
Männerchortradition blutet langsam aus
Außerdem löst der massive Rückgang von Männerchören Besorgnis aus. Hier ist eine über ein Jahrhundert alte Tradition im Begriff langsam auszubluten. Auch wenn neue Chöre entstehen, so sind es keine oder kaum Chöre, die sich dieser Tradition verschreiben. Es entstehen, auch im ländlichen Bereich, zahlreiche Chöre, die sich ausschließlich mit Popularmusik beschäftigen und daneben eher in Ballungszentren junge Chöre, die auf einem erstaunlich hohen Niveau beginnen zu musizieren, da deren Choraktive eine gute musikalische Vorbildung haben. Letzteres ist eine sehr schöne Entwicklung, denn es ist zum Glück keineswegs so, dass junge Menschen nicht mehr für’s Singen zu begeistern sind.
Unser Staat kommt seinen Pflichten nicht nach
Was ist nur aus dem Kulturland Deutschland geworden? Zahlreiche junge Menschen kommen erst gar nicht mehr richtig mit Gesang in Verbindung kommen. Wir haben seit Jahren einen Teufelskreislauf. In Grundschulen fehlen Musiklehrer, Kinder erhalten keine oder nur unzureichende musikalische Ausbildung. Die Anzahl derer, die sich folglich für ein Musikstudium entscheiden, wird immer geringer, die Schlinge zieht sich zu.
Da kommen nun Vereine und Verbände ins Spiel, die versuchen, diesem Mangel wenigstens ein Stück weit zu begegnen. All das passiert oft, wie im Falle unseres Kreischorverbands, in ehrenamtlicher Arbeit. Statt dass der Staat diese Unterstützung bereitwillig annimmt und wenigstens finanziell fördert, überlässt er diese Ehrenamtlichen zum großen Teil sich selbst. Wir suchen derzeit Kinderchorleiter, die bereit sind, in Grundschulen zu gehen. Dafür benötigt es Gelder. Wir mühen uns in unserer Freizeit damit ab, an Fördergelder zu gelangen. Und das ist eine Erfahrung für sich. Nun ja, es gibt tatsächlich zahlreiche Fördermöglichkeiten. Es steht ein ganzer Dschungel an Fördergeldern bereit. An die Fördergelder zu kommen, ist jedoch meist gespickt mit Hindernissen. Viele Töpfe mit Fördergeldern bleiben voll, weil nicht bekannt ist, dass es sie gibt, oder die Hürde zu hoch ist, an diese Gelder zu gelangen.
Der Haken mit den Förderungen
Förderungen sind meist zeitlich begrenzt und projektbezogen. Der eine Topf zahlt für technische Anschaffungen, der andere für Projekte mit Inklusion, die Antragsfristen sind uneinheitlich oder es scheitert an Kleinigkeiten. Hat man den zuständigen Mitarbeiter endlich ausfindig macht, hört man: Tut uns leid, die Frist ist abgelaufen, Sie sind hier falsch, wenden Sie sich doch an diese oder jene Fördertöpfe, bei denen man dann auch oft nicht erfolgreich ist. Da bleiben noch private Sponsoren oder Firmen oder auch der zuständige Landkreis. Der eine Landkreis hat mehr Geld zur Verfügung und hilft, der andere hilft nicht und verweist wiederum an andere Spendentöpfe. An dem einen Ort gibt es großzügige Stiftungen, am anderen Ort nichts dergleichen. Durch diesen Dschungel kämpfen sich tagtäglich Ehrenämtler. Wohl den Vereinen, die Menschen im Vorstand haben, die bereit sind und Zeit haben, sich dieses Dschungels anzunehmen, andere Vereine gehen leer aus.
Es braucht eine breit aufgestellte schulische Förderung von Kindern
Aber wovon sprechen wir hier eigentlich? Wir reden hier über elementare Bildung unserer Kinder, die später unser Land verwalten und Kompetenzen erreichen sollen, welche nachweislich durch musikalische Bildung verbessert werden. Wir reden hier über eine gute Zukunft unserer Kinder, die ohne eine breit aufgestellte schulische Förderung nicht möglich ist.
Ein Blick über die Grenzen unseres Landes in Nachbarländer und deren Umgang mit Bildung zeigt, wie stark das Versagen unserer Regierungen – über alle Parteigrenzen hinaus – seit langer Zeit ist.
Frühkindliche musikalische Bildung ist nicht nur ein Grundbedürfnis von Kindern, sondern die wichtigste Voraussetzung, um Chorleben in unserem Land in seiner Vielfalt lebendig zu halten.
Es braucht eine zentrale Anlaufstelle für Fördertöpfe
Es braucht eine Stelle, wo alle Fördermöglichkeiten zusammenlaufen
Will man Vereine und Ehrenämtler wirklich bei deren Bemühungen unterstützen, bräuchte es eine einzige Kontaktstelle, die den Anfragenden durch diesen Förderdschungel führt! Das wäre zumindest ein guter Anfang!
www.chorkultours.de
Chorreisen mit der besonderen Note